Haselböck.Beethoven.Wellingtons Sieg.

Am 8. Dezember 1813 fand im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien ein Spektakel statt, das auf Grund des Riesenerfolgs vier Tage später wiederholt wurde. Die musikalische Leitung hatte der noch leidlich im Besitz seines Hörvermögens befindliche Beethoven. In einem Riesenorchester – mit sechs Schlagzeugen, dem Bombardon und Pauken – saßen Prominente wie Meyerbeer, Hofkapellmeister Salieri und Mozart-Meisterschüler Hummel.

Die ausverkaufte Veranstaltung begann mit Beethovens siebter Sinfonie, ein Werk prachtvollen Jubels. Zwei kleinere Stücke von Ignaz Pleyel und Jan Ladislav Dussek bereiteten den Höhepunkt vor, ein zweiteiliges, heute beinahe komplett vergessenes Beethoven-Werk, das in jenem Dezember 1813 die Wellen der Begeisterung höher schlagen ließ als jede seiner bis dahin vorhandenen Sinfonien. „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vitoria“ heißt das sinfonische Schlachtengemälde. Es feiert den Triumph des jungen englischen Imperialismus über den französischen Rivalen im Juni 1813 bei Vitoria, dem spanischen Waterloo.

Statt die geschlagenen, vom verheerenden Russlandfeldzug ausgelaugten und dezimierten Franzosen endgültig zu vernichten, sollen die heldenhaften Engländer am Ende dieser Schlacht über deren Planwagen hergefallen sein. In ihnen befand sich in Spanien zusammen geraubtes Beutegut im Wert von heute 150 Millionen Euro, heißt es, General Wellington, ein unsagbar dummer Mensch, was not amused.

Keine elf Jahre zuvor hatte Beethoven zur Freude linker Musikfreunde seine dritte Sinfonie, die „Eroica“, noch dem Revolutionsgeneral Napoleon – fast – gewidmet, der damals dem europäischen Feudalismus – fast – den Rest gab. 1804 krönte er sich zum Kaiser und hielt sich fortan an die neuen Herrscher der Welt, das Finanzkapital.

Unter der Leitung von Martin Haselböck wurde das Programm vom 8. Dezember 1813 nun am Uraufführungsort neu eingespielt. Auf Instrumenten der Beethoven-Zeit. Schon in den 4 mal 24 Takten beschwingten Auf-der-Stelle-Tretens am Beginn der siebten Sinfonie meint man die Stimmung der damaligen Zeit zu spüren. Die europäischen Kriege schienen sich nach fast 20 Jahren dem Ende zuzuneigen und für einige Jahre zu pausieren. Da mochte man wohl auch dem in Beethovens Schlachtenmusik abgefeuerten wie abgefeierten Kanonendonner und Gefechtslärm zujubeln.

Haselböck lässt beherzt drauflos musizieren. Die unebene Farbigkeit der alten Instrumente steigert sich, in aller Spielkultur und Präzision, im farbigen Orchesterklang zu geräuschvoller Materialität. Wie bei Beethoven selten, so etwa noch in der durch das Naturprogramm inspirierten „Pastorale“, erfüllt sich die Musik, fernab von diskursiven Anstrengungen, im ersten Teil des Werks nur mehr in Klang und Lärm – der Krieg, nicht unproblematisch, wird zur vergnüglichen Geräuschkulisse.

Wenn gegen Ende des zweiten Teils eine Mischung aus „God safe the King“ und donnerndem Marschrhythmus in eine feine Streicherfuge auf die englische Hymne mündet und das Ganze in einem riesigen Marschhymnus endet, riecht es ganz leicht, ohne deren Höhen zu berühren, nach „Freude schöner Götter Funken“.

Beethoven verdiente viel Geld mit diesem, an seinen eigenen Maßstäben gemessen, recht dummen, wenn richtig gespielt, aber zugleich recht attraktiven und auch als unverdrossene Parodie und Collage zu hörenden Stück, es ist Soundtrack und Film zugleich. Es machte ihn für einen Moment so wirklich populär wie nie zuvor und nicht mehr danach. Mancher Freund aber zieh ihn des Opportunismus und lag sicher nicht falsch. Wellingtons Sieg hat von der Musikliteratur, der linken zumal, sehr schlechte Noten bekommen. Der Titan der Klassik hatte es nicht leicht. Kaum drei Jahre später kam Rossini nach Wien, Beethoven war wieder ein Fall eher für Kenner. Für mich eine kulinarisch und konzeptionell gelungene CD, die viele Gedanken aufwirbelt. Junge Welt, Dezember 2017

Beethoven: Sinfonie A-Dur Nr. 7 op. 92, Wellington’s Sieg op. 91; Pleyel: Jubel Marsch; Dussek: Brunswick Marsch – Wiener Akademie / Martin Haselböck (alpha classics/note 1)

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