Minasi.Haydn Konzerte

Il Pomo d’Oro (Goldener Apfel) nennt der italienische Geiger und Dirigent Riccardo Masi sein ausschließlich mit Landsleuten besetztes Ensemble. Schwer zu sagen, was an seiner neuen CD am lautesten zu preisen wäre: Die Repertoire-Zusammenstellung, Il Pomo d’Oro selbst – oder der fabelhafte Klaviersolist dieser Produktion? Sie heißt „Haydn Konzerte“ und gibt einen musikhistorisch bedeutsamen Moment wieder: Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, als Joseph Haydn, anknüpfend an die Arbeiten des von ihm verehrten Carl Philipp Emanuel Bach, die moderne Form des Solisten-Konzerts zur Welt brachte. Die in die Doppel-CD eingestreute Klavier-Fantasie C-Dur und die Sinfonie g-moll („La Poule“) haben zwar, streng genommen, unterm Oberbegriff „Konzerte“ nichts zu suchen. Sie blühen aber Seit an Seit im selben Beet einer Instrumentalmusik, die erst durch Haydn in der Klassik hegemonial wurde.

Das Hornkonzert, obwohl zwanzig Jahre vor den viel berühmteren Hornkonzerten Mozarts entstanden, steht ihnen an Putzmunterkeit nicht nach. Hier wie in den anderen Orchesterwerken der CD gilt kein Bangemachen: Es klingt akzentuiert und grell bei Minasi, er hat keine Angst vor starken Kontrasten und hält auch nichts von der in der Klassik verbreiteten Ansicht, Fortissimo dürfe nie „Lärm“ sein. Haydn liebte es derb; er war ein witziger Komponist.

Die Sensation der CD scheint mir allerdings der knabenhaft genialische Pianist und Dirigent Maxim Emelyanytschev (vor Zeiten Assistent und Hammerflügelspieler von Teodor Currentzis). Das Cembalo, auf dem der junge Russe die Klaviermusik des frühen und mittleren Haydn spielt – Hammerklaviere setzten sich erst in den 1770er Jahren durch -, klingt wie eingewoben in den bei aller Kraft fein ausgehörten Orchesterklang. Begegnet man seit Jahrzehnten nur immer Solisten, die sich mühen, auf modernen Flügeln bei Bach oder Froberger wenigstens ein bisschen so charakteristisch und metallisch feingliedrig zu klingen wie ein Cembalo, gelingt es Emelyanytschev in Haydns Fantasie von 1789 mühelos, auf dem Cembalo – historisch richtig herum – wie ein Hammerflügel zu wirken. Sein Tempogefühl tanzt mit jeder Verzierung, jedem Arpeggio nur animierter und beflügelter durch die Partitur. Im warmen Melos des Adagio im G-Dur Konzert vermag seine enorme Musikalität sogar, das Barock hinter sich lassend, auf dem Cembalo zu singen. Ein Pianist, der aus seiner Verspieltheit kein Hehl, sondern große Interpretationskunst macht. Er hebt sie auf in blitzgescheiten, erhellenden Interpretationen großer Musik. Er wird seinen Weg machen.        Junge Welt, 2017

Haydn: Konzerte – Maxim Emelyanytschev / Johannes Hinterholzer / Il Pomo d’Oro / Riccardo Minasi (Warner Classics)

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