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Man weiß nicht, was an Ton Koopman mehr zu bewundern ist: Die putzmunter gründliche Art, in der der holländische Dirigent, Orgelspieler und Cembalist Musik aufführt – oder die Beharrlichkeit und Ausdauer, mit der er ein Riesenprojekt nach dem anderen durchzieht.

2001 brach die Major-Firma Teldec Koopmans 1994 begonnene Gesamtaufnahme der Kantaten Bachs ab, weil sie nach dem Platzen der damaligen Finanzblase kurz vor der Pleite stand. Wenig später war Teldec verschwunden, lebte indes als Warner Classics weiter, bis auch Warner Classics – für etliche Jahre – verschwunden war. Aber Koopman gab nicbt auf. Er gründete sein eigenes Label, fand einen Vertrieb und vollendete die Bach-Edition mit Pauken und Trompeten auf eigene Faust.

Seit 2004 ist nun Dietrich Buxtehude dran. Der 1707 gestorbene Lübecker Kirchenmusiker wäre wohl heute komplett vergessen, wenn nicht von ihm Begeisterte wie der Dichter (und Orgelbauer) Hanns Henny Jahnn, der Musikwissenschaftler Bruno Grusnick oder eben Koopman ihn ausgegraben und reanimiert hätten. Was von den Werken des zeitlebens im Ostseeraum wirkenden Komponisten archiviert war, lagerte bis ins 20. Jahrhundert unberührt in den Beständen der Universitätsbibliothek Upsalla. Und wollte befreit sein von der „nagenden Kritik der Mäuse“(Marx).

Wie sehr sich das lohnt, wusste bereits Johann Sebastian Bach, in dessen Schatten Buxtehude heute steht, mehr noch als im Schatten der Italiener oder anderer Deutscher wie Heinrich Schütz oder Georg Philipp Telemann. Bach war von Buxtehudes Musik so begeistert, dass er als Zwanzigjähriger von Thüringen nach Lübeck wanderte und seinen Urlaub als junger Stadtorganist von Arnstadt um glatte drei Monate überzog, nur um den berühmten Abendmusiken seines greisen Kollegen in der Marienkirche beizuwohnen.

Nach der Orgel- und Cembalomusik, den Kantanten, geistlichen Konzerten sowie dem einzig erhaltenen Oratorium Buxtehudes hat Koopman jetzt die erste von zwei CDs mit dessen Kammermusik herausgebracht. Sie zeigt einmal mehr, wie attraktiv und kurzweilig es auch in diesem Musikgenre lange vor Bach zuging.

Buxtehudes Musik für Streicher erinnert streckenweise an ältere Geigerkomponisten wie Pandolfi Mealli oder Biber. Das Booklet informiert, dass er sich bei den Triosonaten vor allem an Giovanni Legrenzi orientierte, dem Lehrer Vivaldis.

Im formidablen B-Dur Stück BuWV 273, fällt der ausgelassene Kontrapunkt auf. In immer neuen Pointen und rhetorischen Kapriolen reihen sich Frage oder Behauptung und Replik aneinander. Ein von zwei Streichern getanzter Dialog, der zur fröhlichen Tanzsuite mutiert. Buxtehudes Musik strahlt Lebensfreude aus. Kaum finden sich Melancholie und Verzagtheit wie im Gros barocker Lyrik und Malerei dieser Zeit. Ein seltsamer Widerspruch zum Zustand der damaligen Welt. Buxtehude war um die zehn Jahre alt, als mit dem Dreißigjährigen Krieg eine der frühen Katastrophen der an Katastrophen nicht armen deutschen Geschichte endete. Sehr tröstlich. Die Lebensfreude findet offenbar auch in düstersten Tagen immer noch Anhaltspunkte.                              Junge Welt, Oktober 2017

Buxtehude: Opera omnia XII, Kammermusik I – C. Manson/Rabinovich/J. Manson/Koopman/Fentross/Sticher (Challenge Classics)

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