Über mich.

Von den Genen her mehrfach verwöhnt, habe ich schon als Heranwachsender mit der Sprache verucht und mit dem Zeichnen nicht aufgehört, als sich die anderen Kinder längst anderen Dingen zugewandt hatten. Zeichnen ist schön. Du versenkst Dich in was Du siehst, Deine Hand versenkt es per Feder, Stift oder Radiernadel mittels Linien und Flächen in der Eindimensionalität eines weißen Zeichenkartons. Ich habe immer nur abgezeichnet (was ich sehe), ich bin der Mimesis nicht entronnen. In die Freiheit, statt eines Abbilds von etwas, dieses Etwas selbst künstlerisch zu schaffen, habe ich mich nicht vorarbeiten können.

Leider verloren sich, da ich satirisch unterwegs war, infolge des gezielten Lesefehlers eines Herrn Schabowski aus Berlin in den 1990ern mein Publikum und ich uns aus den Augen. Heute ernähren mich statt der einen, zeichnenden Linken, die Finger beider Hände auf einer glatten Laptop-Tastatur, ich bin Autor.

Ich schreibe überwiegend über sogenannte „klassische Musik“. Anfangs weitgehend in dem ihr bis heute – auch von ihr sich selbst – verordneten Bereich „tote Komponisten“ (Enno Poppe). Dank der Musiker, denen ich beruflich begegne, richtet sich meine Neugier mit viel Freude inzwischen auch auf das, was in der Musik heute und morgen entsteht.

Es ergab sich, dass ich schreibend darauf kam, auch in der unter Journalisten seit Langem untunlichen Ichform zu schreiben. Ich schreibe als der, der ich bin, über Themen wie den Winter, über das Phänomen der Zeit, über E-Autos und meine Großväter und über Erinnerungen an Begegnungen mit längst verstorbenen Dichtern. Ich schreibe Rezensionen zum Beispiel über ein großartiges Buch über die Stalingrad-Schlacht (Gott hab sie selig), ich äußere mich zu politischen Fragen, ich denke schreibend über das Träumen und über sein Gegenteil nach: den Krieg.

(C) Self, 2023

Und sonst? Abzüglich der Weltlage (März/April 2023) soweit alles gut. Am See, an dem wir oft wohnen, lassen sich morgens inzwischen auch wieder die Meisen und Amseln hören neben den im Winter hegemonialen Krähen, den Möven und den hiergebliebenen Besserwissern und Wichtigtuern, unseren Enten. Brennholz und Briketts kosten mehr als das Doppelte als sie vor dem Sanktions-Schlamassel gekostet haben. Wir werden auf diese Weise die alten Holzmöbel los, die draußen bei jedem Wetter unserer Unentschlossenheit harren, die aber, verfeuert nach einigen Tagen Trocknung im Wohnzimmer, viel haptische, angenehm fühlbare Wärme verbreiten. Zuhause in Hamburg, wo wir morgens einfach die Heizung aufdrehen und gut ist, existiert so etwas wie Wärme so wenig, wie etwa die tägliche Unterwäsche, die wir, so sie nicht kratzt oder klemmt, einfach nicht mehr wahrnehmen. Wir haben sie ja.

Never in meinem nicht gar so kurzen Leben hatte ich stärker als heute den Eindruck, dass es, wenn die Zeiten sich wirklich wandeln und nicht nur wenden, recht unangenehm stürmt und auch, werweiß – vielleicht wird es noch wirklich kalt im Land.

Über Fachleute.

Meine Musiktexte lesend, wird jeder Musikwissenschaftler wissen: ich bin nicht vom Fach, ich habe es nicht studiert, ich kann aufgrund bildungsbürgerlicher Geigenstunden im Knabenalter gerade mal Noten lesen. Ich schreibe vielleicht darum besonders gern für Leute, die mir an dieser Stelle ein freundliches „Immerhin“ spendieren.

Als fleißiger Leser auch von Fachliteratur bin ich in den Augen vieler meiner Leserinnen Fachmann. Aber dieser Status ist kaum mehr als ein undeutlicher Nimbus. Er kann musikwissenschaftlich nicht bestehen. Dazu fehlt mir insbesondere die intime Kenntnis der Harmonielehre. Die wird freilich auf lange Sicht Sache der Eingeweihten bleiben, ein erlauchter Zirkel, sympathisch seltsam wie die Mathematiker oder die Physiker. Schon mit der Kenntnis der Tonartencharaktere allerdings ist viel gewonnen. Mit der Zeit hört man Modulationen, Chromatik, Kontrapunkt, man bemerkt Verschiebungen des Tempos, Verdichtungen des Satzes; der Bau – seien es Sonatensatzkonturen, ihre Abirrungen und Varianten, seien es die Strukturen, Klänge, Energien autonomer Musik – wird kenntlich. Im Fall es zum behandelten Gegenstand beiträgt, kann man über all das schreiben. Aber was ist der Gegenstand von Musik? Es gibt Leute, die bezweifeln, dass Musik überhaupt einen Gegenstand hat.

Da bleibt für jede Art Quacksalberei viel Platz. Platz reichlich aber auch für die Arbeit von “Fachleuten” wie mir.

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