HOLZWURM DER OPER (CDs)

          Der Holzi als Cover-Worm und als Bühnenakteur

Es gab eine Zeit, da kümmerten sich, kaum zu glauben, die großen Schallplatten-Konzerne verantwortungsvoll und ideenreich um die Reproduktion ihrer Kundschaft. Anfang der 1990er Jahre fragte mich Günther Adam Strößner, Chef des legendären Familiy & Entertainement-Departments der Deutschen Grammophon Gesellschaft, ob ich eine Idee hätte für einen kindgemäßen Opernführer auf CD. Es entstand Der Holzwurm der Oper erzählt. Da macht sich ein seit über 250 Jahren in und von der Oper (ihren Kulissen und ihrem hölzernen Inventar) lebender Holzwurm zusammen mit einem aus Italien zugeflogenen Kleinstschmetterling namens Signora Mottadella über das Kernrepertoire der europäischen Oper her.

Auf zwanzig CDs haben die beiden es gebracht. Der Holzi als Klappmaulpuppe von 2005 bis 2017 zusätzlich auf eine beachtliche Bühnenkarriere. Im Rahmen meiner zusammen mit wunderbaren Puppenspielern und großartigen Musikern realisierten Kinderkonzerte kam er, gut aufgehoben in seinem lindgrünen Frotéesack, auf vielen Reisen zweimal bis in die Schweiz, in das nicht erst seit Brahms’ Violinsonate wunderschöne Thun mit seinem den Himmel und die Gipfel speigelndem See.

Vollends sehr gut geht der pädagogische Kunstwille mit der Professionalität des Erzählens und der Qualität der Musik zusammen in der klassischen Serie von Stefan Siegert: Der Holzwurm der Oper. Auch in den zwei neuen Folgen mit Puccinis Turandot und der Bohème kommt Signore Bohrer mit Frau Mottadella, der Kleidermotte, ins Gespräch. Sie erzählen einander vom Leben vor und hinter den Kulissen, klagen über die “Menschentrampel” und blicken auf die Handlung der Opern. Dann nehmen sich Holzwurm und Motte elegant zurück und ihre Aufgaben wahr als Kommentatoren, Übersetzer, Mauerschauer. Der Fokus ändert sich. Lange Passagen werden eingespielt, die Musik kommt zu ihrem Recht. Ilja Richters und Silke Dornows Art, die Tierchen zu sprechen, wirkt vielleicht fürs Erwachsenenohr überdreht. Kinder finden es eher lustig, wie sich die Stimmen überschlagen und gut gelaunt Siegerts krasse Aktualisierungen servieren: “Die chicken nuggets hier sind ein Gedicht”, schwärmt da zum Beispiel Colline beim Vorweihnachtsessen der “Bohème”. Nebenbei werden Wissensbissen gereicht, wird der Vermittlungsvorgang reflektiert: Vor über 400 Jahren, erzählt Frau Mottadella, habe Claudio Monteverdi mit allem angefangen, “fantastico”, fügt sie hinzu, “auch wenn Monteverdi nur aus Cremona kam”. – “Cremona?”, sagt Signore Bohrer, “kenn’ ich nich’.        

Christiane Tewinkel, FAS

Das Paradebeispiel dafür, wie es anders geht, ist die Reihe Der Holzwurm der Oper erzählt. Da unterhalten sich der in den Kulissenbalken lebende Titelheld und seine Freundin Mottadella etwa darüber, was Puccinis La Bohéme von den Werken Verdis unterscheidet oder warum Die Zauberflöte eine Märchenoper ist. Voller Witz, unheimlich dicht und in einem atemberaubendem Tempo, das konzentriertes Zuhören voraussetzt. Nur die Musik rutscht darüber manchmal etwas in den Hintergrund.

Volker Schmidt, ZEIT

Was macht auch noch die morscheste Oper lebendig? Richtig: der Holzwurm der Oper. Seit ungefähr 260 Jahren bohrt er sich durch die großen Opernhäuser der Welt. Und seit genau 14 Jahren können Kinder wie Erwachsene die Plaudereien von Herrn Bohrer mit seiner reizenden Kollegin, der Motte Signora Mortadella aus dem Kostümfundus, auf CD belauschen.

Jetzt haben die beiden wieder zugeschlagen: Ungehemmt weitere Teile des Logenvorhangs und des Gestühls verzehrend lassen sie sich über Musik und Handlung von Mozarts „Idomeneo“ so wie Humperdincks „Hänsel und Gretel“ aus. Dabei sind sie sich am Anfang wieder ein mal keineswegs einig: Während die Motte in ihrem herrlichen, leicht lispelnden Gefühlsüberschwang vollkommen mit Humperdincks Märchenoper mitgeht und sich dabei keineswegs von den Einwänden des rationalistischeren Holzwurms irritieren lässt, versucht dieser sie von dem Griechendrama „Idomeneo“ zu überzeugen: Auch in diesem Stück gebe es jede Menge Märchenhaftes wie etwa ein Ungeheuer und einen zwar traurigen, aber doch auch sehr mutigen Prinzen. Und dann hat der Holzwurm ja auch noch die ganzen spannenden Geschichten hinter der Bühne selbst miterlebt – zum Beispiel jene, als der berühmte Tenor Anton Raaff Mozart mit seinen Extrawünschen schier in den Wahnsinn trieb. Am Ende muss der Holzwurm die Volksliedmelodien von Humperdinck doch mitsummen – und die Motte hat den angeblich so schwierigen „Idomeneo“ dermaßen durchlebt, dass ihr die Flügel zittern.
Gewonnen hat in beiden Fällen wieder einmal die Opernliebe von Stefan Siegert: Er ist der Schöpfer der beiden kleinen Opernfans. Der 1946 geborene Siegert musste sich seinen Weg zur Oper allerdings noch ohne die Hilfe von Holzwurm und Motte erkämpfen. Sein erstes Opernerlebnis, so erzählt der Autor und Karikaturist, war ein ziemliches Desaster: Als 14- Jähriger habe er eine klamottige Schulaufführung der „Entführung aus dem Serail“ durchlitten: „Die Konstanze war ein Trumm – es war mir einfach alles peinlich.“ Erst Jahre später, als er Wolfgang Hildesheimers Mozart-Buch in die Hände bekam, erwachte seine Opernleidenschaft. Als Siegert eine selbst gezeichnete und getextete Mozart-Biografie für Kinder herausbrachte, wurde der damals bei der Deutschen Grammophon tätige Produzent Günter Adam Strößner auf ihn aufmerksam und beauftragte ihn mit der Erstellung eines CD-Opernführers für Kinder: Der Holzwurm war geboren.
Dass die Produktionen inzwischen selbst das Zeug zu Klassikern haben, liegt sicher auch am glücklich gewählten Team: Ilja Richter und Silke Dornow sprechen Holzwurm und Motte mit umwerfendem Humor, präzisem Timing und vor allem ansteckender Begeisterung für die Musik. Aber auch die Sprache verlangt Fingerspitzengefühl: Holzwurm und Motte sind witzig und oft auch erfrischend respektlos. Vermeintlichen Kinderjargon zu benutzen, hält Siegert dagegen für tödlich: „Nach drei, vier Jahren klingt ein Modewort unheimlich altmodisch.“ Seinen Appetit auf Neues lebt der Holzwurm auf anderen Ebenen aus: So wird er – von einem Puppenspieler gespielt – einen Abstecher ins Konzert machen. Die Hamburger Laeiszhalle kann ihr Gestühl schon einmal in Sicherheit bringen.

Carsten Niemann, RONDO

Was immer man vom Echo Klassik hält, ich habe drei bekommen – und behalte zwei; der erste wurde mir, während ich nach der Preisverleihung im Münchner Residenz-Theater kurz am Buffet war, entwendet. Ausschnitt aus der Preisträgerliste:

aus: Wikipedia

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