Mozart und Haydn.

Mozart und Haydn. Oder umgekehrt. Eine Musikerfreundschaft auf Herzenshöhe, die in ihrer Stimmigkeit ihresgleichen sucht in der Musikgeschichte.

Zwischen ihnen lagen vierundzwanzig Jahre Leben und Schwerstarbeit Haydns. Der junge Mozart hatte bereits als Salzburger Konzertmeister schwer achtgegeben darauf, was der ältere Meister so in die Welt setzte, besonders auf die Sinfonien, die sich, von den zwei Schlössern der haydnschen Dienstherren im weltfernen Panonien aus, schnell verbreiteten. Bei Mozart schlug der Blitz ein, als der verehrte Maestro aus Eisenstadt die sechs Haydn-Streichquartette op. 33 veröffentlichte.

Es öffnete sich dem Jüngeren die Welt des Sonatensatzes – das musikalische Denken in den Bahnen der Logik einer, sich so dynamisch wie monadisch entwickelnden Epochenidee von Form, Bewegung, Zusammenhang, es inkarnierte sich im Schaffen Joseph Haydns. Und Mozart? Im Schwammmodus. Er plagte sich. Länger als mit irgendeiner anderen Arbeit hat er sich Anfang der 1780er Jahre mit den sechs, später so genannten „Haydn-Quartetten“ herumgeschlagen. Nach vollbrachter Tat widmete er sie dem Älteren mit den berühmten Worten: „Al mio caro amico“.

So ehrerbietig und in schülergemäßer Bewunderung er zu Haydn stand, so sicher fühlte er sich seit Fertigstellung dieser Quartette seiner Fähigkeiten und begegnete dem Älteren fortan als ebenbürtiger Freund. Haydn vice versa war ihm in väterlicher Bewunderung dessen zugetan, was ihm, Haydn selbst, in ähnlicher Weise nicht zugebote stand. Haydn dürfte, ausgenommen vielleicht Vater Mozart, der erste Mensch gewesen sein, der Mozarts Genie in seiner Bedeutung voll erkannte; er lebte es in seinem Verhältnis zu Mozart aus.

Sigiswald Kuijken

Auf solche Gedanken kann kommen, wer die CD der Haydn-Quartette mit dem holländischen Kujken Kwartett im Haus hat, eine Aufnahme von 1994. Sigiswald Kuijken, einer aus der ersten Generation des Wichtigwerdens historischer Aufführungspraxis in den 1990er Jahren, hat einen dynamisch substanziellen, einen farbig federnden Mozart im Sinn. Die Linien, wenn kontrapunktisch, verlaufen gut hörbar deutlich getrennt voneinander, die Legato-Passagen atmen vibratominimiert wie natürlich ein und aus.

Mozart, wen überrascht es, bewältigt die Sonatensatz-Idee, indem er sie erweitert. So besonders im A-Dur Quartett KV 464, einer Art endgültigen Schnittpunkts der Größe beider Komponisten. Der junge Beethoven hat sich das Werk eigens abgeschrieben, so viel war da zu lernen. Im eröffnenden Allegro wartet Mozart nicht erst bis zur Durchführung mit der Verarbeitung der Themen. Schon in ihren Überleitungsabschnitten werden beide Themen – das erste per Fugato, das zweite variativ – munter durchgeführt. Bemerkenswert auch, wie schalkhaft viel Zeit und Noten sich Mozart nimmt, mit dem zweiten Thema zu Ende zu kommen und nach immer neuen Finten endlich wieder auf dem Grundton zu landen. Das Menuett an zweiter Stelle verwirrt durch die Gebrochenheit des traditionellen Tanzflusses und die eher fanfarenhafte Positur des Themas. Das Andante ergibt sich in sechs Variationen einer zwischen melancholischer Besinnlichkeit und kontrapunktischem Übermut bewegenden Eleganz; in der schon durch ihre Überlänge hervorgehobenen d-Moll Variation, steigert sich die Musik bis in dramatische Gesten mozartscher Niedergeschlagenheit. Das Finale schließlich wirkt in seiner, von absteigender Chromatik und deren verspielter Antithese geprägten Munterkeit wie eine never ending Durchführung hin zu gutem Wetter.

K. 464 IV. Allegro ma non troppo (Kuijen Kwartett)

Alle in Kuijkens Quartett-Familie (allein der zweite Geiger ist nur musikalisch mit den Kuijkens verwandt) sind Barockmusiker. Aus ihren Händen musiziert, wird deutlich: nicht allein Haydn hat Mozart Anfang der 1780er erleuchtet – auch Bach (und Händel). Nicht viele unter den zahlreichen Aufnahmen von KV 464 im Mozartkatalog können das für sich geltend machen. Die Familie Kuijken verbindet die, auch textkritischen Erkenntnisse historisch-kritischen Musizierens mit einer jugendfrischen Lust an Farben und Bewegungsenergie. Damit waren sie 1994 noch recht allein auf weiter Flur. Sie blieben es nicht. Aber so richtig durchgesetzt haben sie sich erst in einer nichtendenden Reihe von ähnlich unternehmungslustigen Nachfolgern.

Der Link aufs Youtube-Audio https://www.youtube.com/watch?v=2rZHwI5f_Ok

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