Faust.Isabelle.Mozart.Violinkonzerte

Zweiundzwanzig Klavierkonzerte hat Mozart komponiert. Er war, nicht nur als Virtuose, ein Tastenlöwe. Seine fünf Konzerte für die Geige fallen da kaum ins Gewicht. Aber in seiner Jugend trat er als gefeierter Geiger auf, er verdiente sein Geld als geigender Konzertmeister. Nur war offenbar der Vater ausweislich seiner für die Geiger noch heute aufschlussreichen Violinschule von 1756 (und wahrscheinlich überhaupt) ein allzu strenger Beobachter. Der 23-jährige Wolfgang Amadé schenkte den Streichern noch eine Sinfonia Concertante, eine zweite blieb Fragment. Dann war Schluss mit Geige. Nur noch in der Kammermusik können beim älteren Mozart die Geigensolisten brillieren (Mozart selbst spielte in Wien außer auf dem Klavier privat nur noch Bratsche).

Die fünf Violinkonzerte sind für alle Virtuosen seit über hundert Jahren ein Heimspiel. Bis hin zu Könnern wie Frank Peter Zimmermann oder Hillary Hahn gilt für Geiger auf modernen Instrumenten: Sie spielen diese Werke volltönig, im Fleisch eines rosigen Vibrato, arios in den langsamen, virtuos in den Rondeau-Sätzen und durchweg eben so, dass es schon Robert Schumann recht gewesen wäre.

Verglichen damit, klingt Isabelle Fausts neue Mozart-Aufnahme gefühlt fünf Tonnen leichter. Sie arbeitet meines Wissens auf CD erstmals mit Musikern auf alten Instrumenten. Bedenkt man, dass die musikalischen Einflüsse, die der pubertierende Mozart sich bei der Komposition der Violinkonzerte anverwandelte, neben französischen und böhmischen Tonfällen vor allem italienische waren, macht Fausts Wahl einer italienischen, mit Geiger-Komponisten wie Nardini, Vivaldi oder Tartini vertrauten Barockkapelle Sinn. Il Giardino Armonico, lebhaft und farbenreich, sind ein ungeschmeidig zupackendes, scharf akzentuierendes Begleitensemble für Mozarts Violinkonzerte.

Faust selbst hat, wie immer, im Vorfeld viel recherchiert und probiert. Sie hat Darmsaiten auf ihre – modernisierte – Stradivari gezogen und spielt mit modernem Bogen. Die mit der linken Griffhand zu ereichende Prachtton-Garantie eines standardisierten Luxusgeigertums interessiert sie nicht. Auf Darm mehr als auf den gewohnten, umwickelten Stahlsaiten gibt sie jeder Note mit der rechten Bogenhand dynamisches Profil, erfindet immer neue Farben, Blässen, Helligkeiten und verzichtet auf Glanz und Schmelz, um Charakter zu bekommen. Nichts fehlt. Nicht Mozarts juveniler Charme, nicht die schwärmerische Eleganz des galanten Stils der Zeit des jungen Mozart. Wie von Vater Mozart empfohlen, entzückt Isabelle Faust durch ein Vibrato der zarten Prise, des Hauchs einer wie erotischen Ahnung.

Bauten und Bildnisse des Barock, sieht man sie im Original, erstaunen oft: Auch in den Farben viel knalliger als gedacht, erweist sich ihre wahre Größe in der verblüffenden Bescheidenheit realer Dimensionen. Isabelle Fausts Mozart besticht – bei gleichzeitig extrem schweren Fingersätzen durchs Schlichte, durch eine auch noch in der Attacke spürbare Leichtigkeit. Allein in den Kantilenen des Adagio im A-Dur Konzert geht ihre Dialektik der Steigerung durch Zurücknahme nicht auf. Der vom Vibrato kaum gestützte Ton trägt nicht in vielem, was sie mit ihm anstellt; die Geige singt nicht, fast meint man, den Seufzer des Salzburger Konzertmeisters Brunetti zu verstehen, dem der Satz „zu studiert“ vorkam, Mozart schrieb mit K. 261 einen neuen (er ist weniger schön). Und was im Adagio zu dünn erscheint, wirkt, gemessen an den von Faust selbst für Mozarts Violinkonzerte gesetzten Parametern, in den Alla Turca-Passagen des Finale zu dick aufgetragen.

Aber sonst? Hat man die Freude, Dinge wiederzuerkennen, die man noch nie gehört hat, aber immer schon hören wollte. Ein Abenteuer für die Ohren. Und ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, wie es aufführungspraktisch mit Mozarts Musik für die Solovioline weitergehen könnte.        Junge Welt, November 2016

Mozart: Violinkonzerte, 2 Rondos und das Adagio K. 261 – Isabelle Faust / Il Giardino Armonico / Giovanni Antonini (Harmonia Mundi France)

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