Lubimov.Mozart.Musik für zwei Klaviere

Was haben Johann Sebastian Bach und Josepha Auernhammer gemeinsam? Bach ist weltberühmt. Aber Fräulein Auernhammer? Sie lebte von 1758 bis 1820, war Berufspianistin, eine ernstzunehmende Komponistin obendrein. Musikerinnen allerdings war es zu Auernhammers Zeit unmöglich, als Schöpferin musikalischer Werke zu reüssieren. Diskriminierung von Frauen ist keine Erfindung der Gegenwart. Aber Josepha Auernhammer war Schülerin Mozarts. Und Mozart fand zwar, sie sei „ein scheusal“, aber ein Scheusal, das „zum entzücken“ spielte, nur im „Cantabile“ ginge ihr der „Wahre, feine singende geschmack“ ab – „sie verzupft alles“. Er hat ihr gleichwohl mehrere Sonaten gewidmet, ist, zur Begeisterung namhafter Zeitgenossen, mit ihr aufgetreten, das hat sie der Vergessenheit entrissen. Und mit Bach gemeinsam ist Josepha Barbara Auernhammer, dass Mozart sich außer von der Musik Bachs nur vom Zusammenspiel mit ihr dazu hat inspirieren lassen, Werke für zwei Klaviere zu schreiben. Es sind nicht mehr als drei, plus ein Fragment, schade.

Für eines der drei, das Konzert für zwei Klaviere K. 365, fehlte den beiden russischen Hammerflügelspielern Alexei Lubimov und Alexei Martinov offenbar die finanziellen Mittel , Konzerte erfordern Orchester, und Orchester kosten Geld. Um ihre ganz spezielle Mozart-CD voll zu kriegen, haben die beiden zur Sonate K. 448, zu Adagio und Fuge c-moll K. 546 und zum fragmentarischen Larghetto und Allegro in Es-Dur (ohne Köchel-Nummer) eine Bearbeitung hinzugefügt; Mozarts Streichquartett K. 493 in der Fassung für zwei Klaviere.

Alexej Lubimov

Dass Mozart zu keiner Zeit der Komponist mit dem Alleinstellungsmerkmal nur von Eleganz und Leichtigkeit war, räumen inzwischen selbst Teile des Mozartmainstream ein. Die Doppelklavier-Fuge in c-moll K. 426 ist ein sperrig chromatisches Meisterwerk, entstanden unter dem Eindruck von Mozarts Bach- und Händel-Studien in seiner Wiener Zeit. Mozart war stolz auf die neuerworbene Fähigkeit, gleichauf mit den barocken Weltenmeistern Fugen komponieren zu können. 1787, endlich, wenn auch hinter Salieri, zum besoldeten „kaiserlichen Kammermusikus“ ernannt, ließ er die c-moll Fuge auf eigene Rechnung drucken; später stellte er unter Hinzufügung eines einleitenden Adagio eine Fassung für Streichquartett und Kontrabass her, K. 546.

Lubimovs und Martinovs Sicht auf das Stück kommt die im Vergleich zur Spielbarkeit eines modernen Konzertflügel hörbar schwerfälligere Mechanik der alten Hammerklaviere entgegen. Die Instrumente sind ganz aus Holz. Wenn zweimal zwei Hände vollgriffig unisono Fortissimoakkorde in die Tasten hämmern, hört man den Korpus schwer atmen. Mozart hat das so in die Noten geschrieben, es scheint dem vermeintlichen Meister der Schwerelosigkeit sehr gefallen zu haben. Gelegentlich – man muss sich erst ein wenig dran gewöhnen, die beiden Russen scheinen auf einen zum gängigen Mozartverständnis querstehenden Mozart hinaus zu wollen – klingt es sogar wunderbar rumpelig, es steht Mozart gut, seiner Schwerelosigkeit, die auch vorkommt, tut das keinerlei Abbruch.

Das Herzstück der Platte ist die Sonate D-Dur. Deren Allegro badet virtuos im vollen, nicht steinwayartig ewig entweder zu lauten oder langweilig zurückhaltenden, allerdings gestisch gewaltigen Orchesterklang  (fortissimo heißt bei den alten Klavieren auch, man hört nicht nur, man sieht die Finger förmlich in die Tasten einschlagen), bevor mit dem zweiten Thema das erste Solo hervortritt und fugatoartig vom zweiten Klavier konterkariert wird. Mozarts frische Begeisterung für den Fugenbau lebt sich auch in der Durchführung von K. 448 aus. Legen Lubimov/Martynov Mozarts Tempoanweisung im Allegro con spirito (und auch im abschließenden Molto Allegro) voll im Sinn rasanter Geschwindigkeit aus, ist das Andante im Tempo betont zurückgenommen, alles andere wäre ein

Verbrechen. Denn die Musik dreht sich da um sich selbst wie eine ganz unsensationelle, alltägliche Seligkeit, eine leichte Mühle im Windhauch des Glücks. Was mahlt sie aber? Sie mahlt die Zeit, denn das Glück hat keine Stunde, wie es heißt. Und es sind zwei Klaviere, die da spielen. Das Glück spannt  sich auf zwischen zwei Seelen. Sie geben und nehmen, ergänzen und fassen sich bei den Händen im Takt der herrlich unscheinbaren Erotik mozartscher Musik. Die kein Ende hat, die Erotik. Denn alle Lust will Ewigkeit, da passen Nietzsche und Mozart ausnahmsweise mal zusammen. Dieses Andante ist eine Endlosschleife trauter Zweisamkeit, kein Wunder, einfach nur ein klitzekleines Menschenglück.   Junge Welt, August 2013

Mozart: Stücke für zwei Klaviere: Sonate D K. 448, Larghetto und Allegro Es, Adagio und Fuge c K. 406, Streichquartett Es arr. für zwei Klavier K. 493 – Alexei Lubimov / Alexei Martinov; outhere music/zig zag territoire ZZT 30

Zu Alexei Lubimov ein Interview im Internet-Klassikmagazin VAN, eine  weitere Rezension, ein SWR2-Feature.

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