Francois Xavier Roth und Me too.

Die Klassikwelt schüttelte den Kopf. Wie konnte er nur? Der am Beginn einer Weltkarriere stehende französische Dirigent Francois Xavier Roth, er wurde auf diesen Seiten vielfach positiv hervorgehoben, sah sich im Mai 2024 massiven Me-too-Vorwürfen ausgesetzt.

Von unaufgeforderten Textnachrichten mit sexuellem Inhalt und verschickten Penisbildern war da die keineswegs anonyme Rede. Roth soll eine Musikerin zu einer ­­­- was immer das ist – gemeinsamen „virtuellen Dusche“ eingeladen und per Telefon „intime Nachrichten“ ausgetauscht haben, er hat es bedauernd eingestanden. All das in einem Moment, als für Roths Weltkarriere gerade der Vorhang aufging. Das Gürzenich Orchester hat Roths bis 2025 laufenden Vertrag nicht verlängert. Aber Roth hatte mit Beginn der Saison 2025/26 ohnehin bereits einen Vertrag als Chef des SWR Sinfonieorchesters (und Nachfolger von Teodor Currentis). Der SWR bat nach Bekanntwerden der Vorwürfe um Bedenkzeit, recherchierte, hörte sich um und bedachte sich, Ergebnis: Es bleibt dabei, Francois Xavier Roth wird ab Herbst 2025 den SWR-Klangkörper musikalisch leiten. Wenn die SWR-Verantwortlichen gewiss irgendwo vermerkt haben, sie hätten sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, wird man ihnen das glauben können; und man glaubt es nicht ungern, weil man die ganze Sache von Anfang an etwas undurchsichtig fand, sie roch immer leicht auch nach Schabernack und Spielerei. Viele Bewunderer der Kunst des Dirigenten Roth neigen spontan sicher zum Zweifel für den Angeklagten. Sie sehen sich allerdings sofort der Verharmlosung angeklagt von Misogynie, Übergriffigkeit, Missbrauch. Die Reaktion: üble Nachrede, Shitstorms, Hassreden, die aktuellen Umgangsformen. Aber wer den Zweifel für den Angeklagten nicht riskiert, tut auf vielerlei mögliche Weise auch manchem „Täter“ unrecht. Als Außenstehende wissen wir zuwenig über die Details, um Roths Verhalten be- oder gar verurteilen zu können. Der SWR dagegen (als langjähriger freier Mitarbeiter meine ich das zu wissen) wird genug Auskünfte gesammelt haben für seine Entscheidung, um hoffentlich sicher zu sein, so denke ich, mit seiner Entscheidung keiner der betroffenen Frauen in den Rücken gefallen zu sein. Francois Xavier Roth bekommt eine zweite Chance, er wird sie nutzen, nicht nur musikalisch. Die Klassikwelt kann sich hopefully weiters auf seine sensibel ausgehörten, durchdachten, zuverlässig ausgetretene Wege meidenden Interpretationen eines Repertoires freuen, das von sehr alt bis sehr neu reicht. November 2024

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